Dunia die Hochschulzeitschrift
Textauszug aus der Zeitschrift „Dunia“ (islamische Hochschulzeitschrift)
Ausgabe 4
Israel – Seine Gründung und sein Überlebenskampf Der Nahe Osten ist in den letzten Jahrzehnten permanenter Brennpunkt der Weltpolitik gewesen. Alle bisherigen Ansätze einer Lösung der Konflikte sind kaum von Erfolg gekörnt gewesen. In diesem Zusammenhang wird an dieser Stelle versucht, den geschichtlichen Hergang dieses Konfliktes zu rekonstruieren und darzulegen, welche divergierenden Interessen einer Konfliktlösung im Wege stehen und welche Geschichtserfahrung die dortigen Menschen erlebt haben. Israel oder Palästina?
Alles beginnt eigentlich mit dem Verfall des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg. Der Hauptakteur der heraufbeschworenen Eskalationen war Großbritannien. Der Landstrich Palästina ist von 1517 – 1917 n.Chr. Teil des Osmanischen Reiches gewesen. Im Jahre 1915 – also während des Ersten Weltkrieges – erhalten die damals vom Nationalismus gebeutelten Araber eine Zusicherung seitens der Briten, nach Kriegsende und bei Niederlage der Türken ein Großarabisches Reich mit Palästina zu gründen. Ein Jahr später schließt England mit Frankreich das geheime „Sykes-Picot“ Abkommen, welches nach Kriegsende eine Teilung Palästina unter den beiden Westmächten vorsieht. Im folgenden Jahr, im November 1917, verspricht die britische Regierung in der Balfour-Deklaration den in Palästina lebenden Juden eine „nationale Heimstätte“. Was konkret mit diesem Begriff gemeint ist, wird nicht erläutert. Im Ergebnis haben die Briten sowohl den Arabern als auch den Juden Palästina jeweils zugesichert und gleichzeitig mit Frankreiche eine Aufteilung Palästinas beschlossen. Zu dieser Zeit leben in diesem Gebiet Araber und Juden, wenn auch letztere zahlenmäßig sehr gering vertreten waren. Der Grund, wieso sich schon relativ viele Juden in Palästina befanden, ist das im 19. Jahrhundert erwachende jüdische Nationalbewusstsein mit dem Ziel, in Palästina eine jüdischen Staat zu gründen. Grundlage hierfür ist der Appell Theodor Herzls an alle Juden im Jahre 1897 im ersten Zionistenkongress zu Basel. Herzls Plan sieht die Schaffung eines Judenstaates auf palästinensischem Boden vor, in dem Land der Urväter, das den Juden im Alten Testament von Gott versprochen wurde. Unmittelbar danach beginnen auch schon die ersten Einwanderungswellen (Alijah) nach Palästina. Bereits 1909 kommt es zu der ersten Stadtgründung, nämlich Tel Aviv. Mit Kriegsende 1918 wird Palästina dann von den Briten erobert. 1922 bestätigt der Völkerbund nachträglich das England – Mandat. Fortan gilt Palästina als britisches Mandatsgebiet. Während der Mandatszeit beginnen auch die ersten Konflikte zwischen Arabern und Juden. Die enttäuschten Araber auf der einen und die erwartungsfrohen Juden auf der anderen Seite beanspruchten das Land und warten auf die Einhaltung der britischen Versprechungen: Die Gründung Palästinas bzw. Israels. Der ohnehin schon schwelende Konflikt nimmt dann bedrohliche Formen an, als es zu weiteren massiven Immigrationswellen – bedingt durch die Anfänge der Judenverfolgung in Europa – kommt. Nachdem die Zusammenstöße erheblich zunehmen und die Lage sich durch Überfälle und Massaker auf beiden Seiten zuspitzt, spielt man zum ersten Mal mit dem Gedanken, das Gebiet zu teilen. 1937 schlägt die britische Pell-Kommission in ihrem Bericht einen Teilungsplan vor. Dem stimmen die Juden sofort zu, wohingegen er von den Arabern strikt abgelehnt wird. Aufgrund ihrer doppelzüngigen und schwankenden Politik sehen sich die Briten gezwungen, ihr Mandat aufzugeben. Sie haben das Problem nicht lösen können und als verantwortliche Instanz und Mandateur eindeutig versagt. Vielmehr verlassen sie Palästina, nach dem sie den Konflikt zwischen Juden und Arabern geschürt haben. Diese Aufgabe haben sie allerdings „erfolgreich“ erledigt. 1947 bringt England das sog. Palästinaproblem vor die neugeschaffene UNO-Vollversammlung. Die damals aus dem Völkerbund hervorgegangene UNO sieht als Problemlösung ebenfalls eine Teilung des Gebietes vor und beschließt die Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Staat. Dem widersetzen sich die Araber auch vehement. Der Grund ihrer Ablehnung ist folgender: Der UNO – Teilungsplan schreibt den Juden 56% der Gesamtfläche zu, obwohl die Juden gerade die Hälfte der arabischen Bevölkerung ausmachen. Außer dieser unverhältnismäßigen Flächenverteilung fällt auch der beste Boden den Juden zu. Der größte Teil der Zitruskulturen, die das wichtigste Exportgut darstellen, kommt ebenso in den Besitz des jüdischen Staates. Somit würden die primär landwirtschaftlich orientierten Araber ihre Hauptexistenzgrundlage verlieren. Der im UNO – Teilungsplan vorgesehen „arabische Staat“ wäre wirtschaftlich gar nicht überlebensfähig. Trotz allem und ohne Berücksichtigung sowie Gegenstimmen der arabischen Interessen sieht die UNO – Vollversammlung am 29.11.1947 die Teilung des Territoriums gemäß dem Teilungsplan vor. Diese Teilung wird zudem durch die beiden Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, USA und Sowjetunion, unter dem Eindruck des Holocaustes unterstützt. Gemäß dem UNO Beschluss endet das britische Mandat offiziell am 15.05.1948. Da dieser Tag aber auf ein Schabat, dem Ruhetag der Juden, fällt, proklamiert David Ben Gurion den Staat Israel am 14.05.1948, welcher völkerrechlicht sofort anerkannt wird. Am folgenden Tag wird der neugegründete Ministaat Israel von seinen arabischen Nachbarn angegriffen. In diesem sog. Unabhängigkeitskrieg kämpft Israel um sein Überleben. Geographisch gesehen befindet sich Israel zwar in einer schlechten Lage, schafft es aber trotz einer vermeintlichen Ummauerung durch seine arabischen Nachbarn seine Existenz zu behaupten. Mit diesem gewonnen Mehrfrontenkrieg befestigt das junge Israel seine Grenzen gegenüber den zahlenmäßig überlegenen arabischen Staaten. 1949 kommt es nacheinander zu Waffenstilstandsabkommen mit Ägypten, Libanon, Jordanien und Syrien. Es sind wohlgemerkt keine Friedensabkommen, sondern lediglich Waffenstillstandsabkommen, denn die arabische Welt anerkennt den Staat Israel nach wie vor nicht und lehnt jede Verhandlung mit Israel ab. Die Gründung eines palästinensischen Staates wird ebenfalls abgelehnt, weil dann gleichzeitig die Existenz des jüdischen Staates akzeptiert würde. Die Palästinenser werden aus dem nun jetzigen israelischen Staatsgebiet teilweise durch eigene Flucht, teilweise durch Vertreibung aus ihrer bisherigen Heimat entwurzelt. Zufluchtsstätten sind damals für die rund 800.000 Flüchtlinge der von Ägypten verwaltete Gasastreifen und das Westjordanland, das nach dem Krieg jordanisches Staatsgebiet ist. Die arabischen Staaten haben in diesem, wie auch in den folgenden Kriegen nichts Produktives für ihre palästinensischen „Brüder“ erreichen können. Vielmehr werden die Palästinenser als politische Manövriermasse benutzt. Der zweite arabisch-israelische Krieg wird durch Ägypten verursacht. Diesem Krieg steht der Kalte Krieg zwischen der USA und der Sowjetunion Pate. Durch ein Revolution kommt 1952 Gamal Abdul Nasser an die Macht. Ägypten nähert sich unter seiner Herrschaft dem Ostblock an. 1955 kommt es zu einem umfangreichen Waffenlieferungsvertrag mit der Tschechoslowakei. Als die USA 1956 diesen Schritt mit der Verweigerung einer Anleihe für die Errichtung des Assuan-Staudammes begegnen, verstaatlicht Nasser den Suezkanal. Dieser Entschluss ist eine direkte Provokation für Großbritannien und Frankreich, den Hauptteilhabern der Suezkanal-Gesellschaft. Die Sperrung des Suezkanals ist besonders für israelische und nach Israel fahrende Schiffe relevant. Schritt für Schritt wird die Sinaihalbinsel in einen großen ägyptischen Militärstützpunkt umgewandelt. Ein Dreibündnis zwischen Ägypten, Jordanien und Syrien verschärft im Oktober 1956 die unmittelbare Bedrohung Israels. Am 29.10.1956 antwortet Israel in geheimer Absprache mit Großbritannien und Frankreich mit einem präventiven Einmarsch in den Sinai und den Gazastreifen. Nach acht Tagen erobern die israelischen Streitkräfte den Gazastreifen und den Sinai. Ein von den UdSSR und USA gesetztes Ultimatum zwingt jedoch Israel sich in mehreren Etappen bis März 1957 aus den eroberten Gebieten zurückzuziehen. Der nächste große Krieg entfacht dann zehn Jahre später. Im Mai 1967 fordert der sozialistisch geprägte Nasser, ein vermeintlich autoritäres Sprachrohr der arabischen Welt, den Rückzug der UN – Truppen an der Grenze zu Israel. Er sperrt erneut die für Israel Wirtschaft lebensnotwendige Zufahrt zum Hafen von Eliat und zieht nach Bündnissen mit Syrien und Jordanien Truppen an die israelische Grenze zusammen. Da Israel von angriffsbereiten Armeen eingekesselt scheint, starten israelische Truppen am 05.06.1967 einen Präventivschlag gegen Ägypten. Im Sechs – Tage – Krieg besetzen israelische Truppen die gesamte Sinaihalbinsel, den Gazastreifen, die syrischen Golanhöhen und die Westbank. Durch die Eroberungen in diesem Blitzkrieg ändert sich schlagartig die geostrategische Position zugunsten Israels. Dieser 3. Nahost-Krieg verschärft das sog. Palästinenserproblem für Israel, da die palästinensisches Bevölkerung unter israelischer Militärverwaltung kommt. Völkerrechtlich gibt es keine ernsthaften Bemühungen, diesen Konflikt zulösen. Ebensowenig wird auch nicht genügend Druck auf Israel ausgeübt, sich von den besetzen Gebieten zurückzuziehen. Lediglich wird die berühmte Un-Sicherheitsratsresolution Nr. 242 erlassen, welche inhaltlich wenig Bezug zu dem sog. Palästinenserproblem nimmt. Die künftige Politik der arabischen Staaten lautet: „Kein Frieden mit Israel, keine Verhandlungen mit Israel, keine Anerkennung Israels. Der vierte und bisher letzte große Krieg zwischen Israel und den arabischen Staaten ist der „Yom-Kippur-Krieg“, verursacht am 06.10.1973 zum einen durch Ägypten am Suezkanal und Syrien auf den Golanhöhen. Yom-Kippur ist der Versöhnungstag der Juden, an dem gefastete wird, und der eine große Bedeutung für die Juden hat. Dieser überraschende proklamierte Krieg dauerte drei Wochen und endete mit zwei Waffenentflechtungsabkommen, die einen Teilrückzug Israels aus dem Sinai vorsahen. Diesem Abkommen trägt die Vermittlung der USA entscheidend bei. Auch in Israel selbst kommt es zu innenpolitischen Veränderungen. Nach der Knessetwahl im Mai 1977 kommt die Likudpartei an die Macht, die sich für den Frieden im Nahen Osten einsetzen will. Mittlerweile nähert sich das jetzt durch Anwar al-Sadat regierte Ägypten unter Vermittlung der USA Israel an. Sadat besucht 1977 Jerusalem und spricht als erster arabischer Staatsführer vor der Knesset. Ägypten anerkennt somit als erster arabischer Staat die Existenz Israels. Sadat geht es hierbei offiziell primär um die Rückgabe der Sinaihalbinsel. Erst im folgenden will er sich dem sog. Palästinenserproblem widmen, welches wesentlich schwieriger zu lösen ist. Im September 1978 kommt es im amerikanischen Camp David zu einem Rahmenabkommen für einen Frieden zwischen Israel und Ägypten. Israel bekommt durch seien Methode „Land gegen Frieden“ einen Friedensvertrag und volle diplomatische Anerkennung durch einen arabischen Nachbarstaat. Am 29.03.1979 unterzeichnen Begin und Sadat in Washington den Friedensvertrag, der den 30-jährigen Kriegszustand zwischen beiden Ländern beendet. Allerdings kommt dieser Schritt Sadats für die arabische Welt zu früh, woraufhin sie Ägypten für viele Jahre aus der Arabischen Liga verbannen und den Sitz dieses Gremiums nach Tunis verlegen. Sadat macht sich zur Zielscheibe seiner arabischen „Brüder“ und bezahlt im November 1981 sein Vorgehen schließlich durch ein Attentat während einer Militärparade mit dem Leben. Letztlich kann man sagen, dass es durch vier große Kriege den unorganisierten arabischen Staaten nicht gelingt, eine schlagkräftige Allianz gegen den israelischen Staat zu bilden, um einen souveränen Staat Palästina zu gründen. Noch in unsere heutigen Zeit, also seit nunmehr schon 34 Jahren, leben die Palästinenser unter israelischer Besatzung. Auch wenn seit dem Gaza – Jericho – Abkommen vom 04.05.1974 ein Teil des Gebietes als Autonomiegebiet der Palästinenser angesehen wird, kann längst nicht die Rede von einer Gründung eines Palästinenserstaates die Rede sein. Der militärische Besatzungszustand besteht weiterhin fort und ein vernünftiger Weg zum Frieden scheint nicht in Sicht. Verfasst von Selma Öztürk
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