Ta ’ m i n
Versicherungen und
islamisches Recht
Entstanden ist die Versicherung als ein vom allgemeinen Handel getrenntes
System der Vorsorge in Europa. 1893 wurde in Konstantinopel das erste Versicherungsbüro
im Osmanischen Reich eröffnet. 1900 erfolgte in Ägypten eine
Versicherungsgesellschaft. Doch schon vor dem setzten sich die muslimischen
Gelehrten mit der Frage nach dem Versicherungsschutz auseinander. 1863
hat das osmanische Reich, wegen des Seehandelsgesetzbuches, sich mit dieser
Thematik des Assekuranzwesen befasst.
Bisher waren im klassischen Islam Risiken durch freundschaftliche informelle
Kooperationen mit Hilfe eines Zinslosen Kredit, Warenverluste abgefangen
worden. Erst die zunehmend europäisch dominiere Weltwirtschaft zum
ende des Osmanischen Reiches brachte auch den islamischen Staaten das „moderne
Versicherungswesen“ nahe.
Das wichtigste Problem für viele islamische Rechtsgelehrte sind
die Schwierigkeiten, die Beziehung zwischen Versicherungsgesellschaft und
Versicherungsnehmer nach den Grundsätzen der entgeltlichen zweiseitigen
Verträge zu werten, weil der Deckungsschutz als ein kaum fassbares
Äquivalent der Prämienhingabe gegenüber steht, der sich
zudem bei schadenfreiem Verlauf verflüchtigt. Neben diesem der Versicherung
zugeschriebenen Risiko enthält es ein Glückspielcharakter. Hinzu
kommt noch, dass der Versicherungsvertrag der Gesellschaften ein bis dahin
unbekannter Vertragstypen des islamischen Rechts darstellte. In den Augen
der Rechtsgelehrten stellt der Versicherungsvertrag ein kommerzieller Gewinn,
der ein Erzielen eines ungerechtfertigten Vermögenszuwachs (riba)
darstellt.
Riba (meist mit Zins wiedergegeben) bezeichnet nicht nur einen Überschuss
über das ausgeliehene Kapital hinaus seien es Früchte irgendwelcher
Art oder Zinsen, sondern auch einen Qualitätsgewinn, d.h. eine bessere
oder gesuchtere Qualität als die der geschuldeten Sache, Dienste eines
Schuldners, die umfangreicher sind als dieser verpflichtet wäre zu
leisten, oder einen Zeitvorteil, wenn dem Kreditgeber sein Kredit vor Ablauf
des vereinbarten Zeitraums zurückgezahlt wird. Riba ist sodem: jeder
ungerechtfertige Vermögensvorteil ohne Gegenleistung.
Der Rechtsgelehrte as-Sanhuri kommt zu dem Schluss, „die Muslime müssen
die schariatrechtlichen Bedingungen einhalten, daher ist auch ein Vertrag,
der früher nicht bekannt war, nach islamischen Recht zu beurteilen.
Verträge nach islamischen Recht müssen genau vorher bestimmt
sein, und der Vertrag muss aus der Sicht bei Vertragsabschluss erfüllbar
sein. Außerdem spielt der Grund, warum ein Vertrag geschlossen wird
eine entscheidende Rolle.
Der Großmufti M. B. al-Mui’i sieht die Versicherung als ein im
Herrschaftsbereich der „dar al-kufr“ verdorbenes Mittel der Geldgewinnung.
Die islamische Zeitschrift „al-Manar“ befasste sich einige Male mit der
Versicherung. Leser hatten Anfragen in Bezug auf Versicherung, und auf
Fetwa von Gelehrten, anfragen gestellt. Die Zeitschrift distanziert sich
von Versicherungen und nennt Fetwas von Rechtsgelehrten, die der Versicherung
zustimmen, als Fragwürdig und nicht vereinbar mit der Scharia.
In Mekka wurde 1965 eine Allgemeine
islamische Konferenz abgehalten.
Neben vielen anderen Themen
wurden Versicherungen behandelt.
Auszug aus einer Debatte
Frage 1:
Was sind die Gründe dafür, dass die Aktivitäten
der heutigen Versicherungsgesellschaften als nicht der Scharia gemäß
betrachtet werden?
Die islamischen Rechtsgelehrten sind er Meinung, dass
die Versicherung dem „riba“, dem Betrug (gabn), dem aleatorischen Geschäft
(garar), dem Glückspiel (pimar) und der Wett (murahana) ähnelt.
Außerdem kommt hinzu, dass bei vielen Vertragsnehmern Unkenntnis
(gahala) herrscht. Es folgen nun Gründe der Ablehnung von Versicherungen.
1. Lebensversicherung in Forum von „riba“
Im Falle der Lebensversicherung (at-ta’min a la l-hayat) erhält
der Versicherungsnehmer (musta’min) die Summe, die er in Raten eingezahlt
hat und einen Zuwachs (ziyada) an Geld, ohne eine Gegenleistung erbracht
zu haben. Diese Art von Zuwachs ist ein ungerechtfertiger Gewinn, welches
unter „Riba“ fällt. Die Versicherungsgesellschaft investieren ihre
Gelder in Aktivitäten, die auf die Erzielung von „riba“ gerichtet
sind. Wenn der Versicherungsnehmer die fälligen Raten verspätet
zahlt, werden Gebüren, was Zinsen gleichkommt, berechnet.
2. Das Risiko „garar“
Der Versicherungsnehmer, der sich gegen eine Gefahr versichert,
leistet Zahlungen in der Erwartung, dafür eine Gegenleistung zu erhalten.
Die Gegenleistung ist in diesem Falle aber nichts, das festhalten würde,
es ist vielmehr eine bloß mögliche Sache, d.h. eine Sache, die
nicht tatsächlich vorhanden ist. Die Versicherungsgesellschaft schuldet
(im Falle einer Zahlung) nun eine große Summe, ohne eine gleich-
oder ähnlichen Betrag eingenommen zu haben. Daher gilt, dass dieses
Geschäft auf einem Risikofaktor basiert.
3. Der Betrug „gabn“
Alle Arten von Versicherungsverträgen fallen unter den Begriff
Betrug, weil das Objekt des Vertrages nicht eindeutig bestimmt ist. Dies
ist aber eines der konstitutiven Elemente (arkan) des Vertrages, das vorhanden
und beiden Vertragspartein bekannt sein muss.
4. Das Glückspiel „pimar“
Das Element der Gefahr ist bei der Versicherung offensichtlich:
manchmal tritt der Schadensfall ein, manchmal nicht. Dies genau ist „prmar“:
Das Prinzip des Glückspiels (muqamara) ist die Schaffung einer Chance
zum Gewinn und sich selbst oder sein Eigentum dem auszusetzen, was sich
aus dieser Chance ergibt. Der Versicherungsnehmer wünscht ja, wenn
er einen Versicherungsvertrag abschließt, einen kleinen Geldbetrag
(Rate) einzusetzen, um vom Versicherer eine große Summe zu erhalten.
Dies ist auch beim Glückspiel der Fall.
5. Die Unwissenheit „gahala“
Die Summe, die der Versicherungsnehmer dem Versicherer zahlt, ist
beiden vom Umfang her nicht genau bekannt. Dies ist besonders bei der Lebensversicherung
deutlich. Beide Seiten, handeln auf Grund eines Vertrages, bei dem keiner
von beiden weiß, ob dessen Ergebnis ein Gewinn oder Verlust sein
wird.
Frage 2:
Wie könnte eine islamische Versicherung aussehen?
Würde man die Verträge der Scharia widersprechenden Elementen
reinigen, damit die Versicherung zu einer islamischen Versicherung wird,
so könnte dies nur auf dem Weg der Einrichtung einer genossenschaftlichen
Versicherung geschehen.
Beispiel:
Eine Gruppe von Muslimen, die sich irgendeiner Art von Gefahr ausgesetzt
sind und unter sich in irgendeiner Form gegenseitige Hilfe schaffen, schaffen
es mit einer Vereinigung. Die Muslime zahlen gewissen Summen an Geld ein,
aus denen jedem einzelnen von ihnen, der in Bedrängnis gerät,
ein Ausgleich. Reicht die Summe der Beiträge nicht aus, die sie gezahlt
haben, gleichen sie die Differenz zu geforderten Summe aus. Wenn nach gezahlter
Leistung ein Überschuss aus den Beiträgen bestehen bleibt, wird
er den Einzahlern zurückgezahlt oder als Kapital für die Zukunft
verwendet.
Diese Art von Vereinigung ist nicht darauf ausgerichtet Gewinne zu erzielen,
vielmehr ist ihr Ziel gegenseitige Hilfe in rechtschaffener Weise. Jeder
von den Mitgliedern ist zugleich ein Versicherer und ein Versicherter.
Die Überschütze dieser Gemeinschaft können auch in Projekten
investiert werden die mit der Scharia im Einklang stehen.
Eine andere Möglichkeit wäre ein Stiftung, Schenkung oder
durch Spenden. Von den eingenommenen Gesamtsummen kann dann demjenigen
dem ein Unglück zustößt oder im Falle eines Todes seinen
Erben, mit einer Summer in geregelter und wiederholter Form geholfen werden.
Frage 3:
Sind von Seiten des Staates Versicherungsähnliche Institutionen
wie Rentensystem erlaubt?
Das staatliche Rentensystem oder ähnliche Krankenkassensystem
sozialer Sicherung, die von Staaten unterhalten werden sind unter rechtlichem
Gesichtspunkt erlaubt. Die Einzahlungen und Auszahlungen beruhen auf Solidaritätsprinzip.
Beruht jedoch die Einzahlung auf Pflicht, wie es in europäischen Länder
der Fall ist, so ist es nur dann zulässig, wenn der Versicherungsnehmer
wieder durch das staatliche System Beitrag zurück erhält.
Schlussbemerkung:
1976 wurde die 1. internationale Konferenz über die islamische Wirtschaft
in Mekka abgehalten, an der mehr als 200 Scharia-Gelehrte und Ökonomen
teilnahmen. Eines der Themen war wieder das Versicherungswesen. Die Konferenz
kam zu dem Entschluss, dass die kommerzielle Versicherung, die die kommerziellen
Versicherungsgesellschaften heute anbieten nicht mit der Scharia übereinstimmen.
Beschluss:
1976/77 entschied die Versammlung
der Kommission der großen Gelehrten, dass die kommerzielle Versicherung
in allen Arten „Haram“
sind.
1978 wurde die Fetwa von der islamischen Rechtsakademie (1931 gegründet
für islamische Rechtsfragen) bestätigt und als Allgemein Beschluss
für die Muslime als Rechtsverbindlich beschlossen. Dabei wurde Festgelegt
das es egal sei, für was die Versicherung abgeschlossen wurde. Ob
auf Handelsgüter oder andere Sachgüter, oder ob auf Leben, dies
ist alles nicht mit der Scharia vereinbar. Die Muslime werden aufgefordert
Genossenschaften (wie oben erwähnt) zu bilden, die das Risiko jedes
Einzelnen mindern können.
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